re:publica 2015 | Tag 2 – ein Resümee
Auch der zweite Tag der re:publica 2015 startete frühlingshaft sonnig. Während die meisten Besucher zur Stage 1 liefen, um Gunter Duecks Vortrag „Schwardummheit“ zu sehen, entschied ich mich für die Session „Neues Europa, neue Arbeitswelt“, um in den zweiten Tag der Internetkonferenz zu starten.
Neues Europa, neue Arbeitswelt
Hier gab es viele Ideen und Visionen, wie die zukünftige Arbeitswelt in Europa aussehen könnte. Es diskutierten Thorsten Hübschen von Microsoft, Jana Tepe (Gründerin Tandemploy), Fabian Sixtus Körner (Journeyman – 1 Mann, 5 Kontinente), Dr. Max Neufeind (Progressive Zentrum Berlin) und Catharina Bruns (workisnotajob). Geführt wurde die Diskussion von Journalist und Blogger Richard Gutjahr. Ganz interessant fand ich die Idee von Job-Sharing und auch den immer wieder genannten Wunsch von mehr Zeitflexibilität im Arbeitsalltag kann ich gut nachvollziehen. Allerdings halte ich es für sehr naiv zu glauben, dass ein verrückt designtes Büro für mehr Zufriedenheit der Mitarbeiter führt. Auch den Ratschlag von Catharina Bruns, es sollten sich doch mehr Menschen trauen sich selbstständig zu machen, das sei gar kein so grosses Risiko und führe zum großen Glück, kann ich nicht zustimmen. Ich halte es sogar für verantwortungslos so etwas zu sagen und Leuten vorzugaukeln, Selbständigkeit sei das Paradies der Arbeitswelt. Ich bin seit über zehn Jahren selbständig und dieser Weg ist alles andere als leicht oder risikoarm. Ich liebe meinen Job und bin gerne selbständig, aber es ist nicht für jeden der richtige Weg und bedeutet sehr viel Arbeit und Verantwortung. Auch waren die Ideen der Diskussionsrunde sehr stark auf Deutschland bezogen. In Ländern wie Spanien, in denen wir eine unfassbar hohe Arbeitslosenquote von vor allem sehr jungen Menschen haben, müssen sich viele der genannten Ideen mehr als utopisch und realitätsfern angehört haben.
Laterpay
Letztes Jahr auf der re:publica wurde der Micropayment-Dienst „Laterpay“ vorgestellt. Dieses Jahr wurde darüber gesprochen, wie dieser sich in den letzten zwölf Monaten entwickelt hat. Die Zahlen sind anscheinend positiv und es hat sich bestätigt: User sind sehr wohl bereit für guten Content im Internet zu zahlen, wenn dieser ihnen einen Mehrwert bringt. Mich hat dieser Dienst sehr neugierig gemacht, ich werde mich auf jeden Fall in nächster Zeit näher damit beschäftigen.
Making Money on youTube
Youtube-Star LeFloid war auch dieses Jahr wieder auf der re:publica. Gemeinsam mit anderen Kennern der Branche wurde darüber gesprochen, wie sich mit youTube Geld verdienen lässt. Die Erkenntnisse waren keine neuen. Erfolgreich auf youTube wird nur jemand, der leidenschaftlich seine Idee verfolgt und regelmassig Videos dreht. Ein Quäntchen Glück gehört natürlich auch dazu. Wer erfolgreiche youTuber und ihre Kanäle als Werbeplattform benutzen will, hat es nicht leicht. Der youTuber muss das Produkt mögen, es muss zum Channel passen und sollte ohne Vorgaben und kreativ vom youTuber in die Sendung eingebaut werden, wenn es erfolgreich sein soll. Authentizität und Ehrlichkeit eines youTubers sind essentiell für seinen Erfolg, er oder sie wird sich also genau überlegen, ob und welche Produkte er zu Werbezwecken mit vor die Kamera nimmt.
Das macht Spaß! Neues Deutsches Fernsehen
Bei dieser Diskussion sprachen Jeannine Michaelsen (Moderatorin), Rainer Maria Jilg (BR) und Matthias Murmann (btf, Produzent „Neo Magazin“) über das Thema „Neues Deutsches Fernsehen“. Jeannine Michaelsen betonte, dass es Mut, Ideen und vor allem einen langen Atem brauche, um gute, neue TV-Formate zu entwickeln. Sendungen wie „Joko & Klaas“ haben schließlich auch lange Zeit gebraucht, um schlussendlich so erfolgreich zu werden, wie sie es heute sind. „Man braucht einen Türöffner und Visionär, um bei den Sendern einen Fuß in die Tür zu bekommen“. Auch Murrmann bestätigt, dass es nicht leicht ist neue Sendeformate unterzubringen und attraktive Sendeplätze zu bekommen und gibt den öffentlich-Rechtlichen einen Denkanstoss: „Denkt mal frisch nach, wie man Geld in der heutigen Medienwelt für guten Content verteilen kann!“.
Komm, ich erklär Dir mal das Internet
Eine der erfrischendsten Veranstaltungen des Tages! Drei Jugendliche erzählen aus Ihrer Sicht, wie sie das Internet nutzen und was für sie wichtig ist. In Facebook sind die drei Teenies nur, um mit Eltern und Lehrern zu kommunizieren. Ansonsten ist Whatsapp und Snapchat das Kommunikations-Tool der Wahl. Beliebt ist zudem Netflix, um coole Serien zu sehen. Das „totgeilste“ Smartphone ist das iPhone, wer ein Samsung hat ist uncool. In der Schule hat man keine Ahnung vom Netz, dort bekommt man auf uralten Microsoft Word Versionen ein bißchen was gezeigt, ansonsten lernt man nicht viel. Die Sperrungen von Webseiten auf Schulrechnern lässt sich kinderleicht mit Hilfe von Proxys umgehen und Eltern machen sich vollkommen unnütz viel zu viele Gedanken um die Nutzung von Internet und Gadgets ihrer Kids. Alle drei Jugendlichen sind sich einig: Eltern sollten nur dann einschreiten, wenn ihr Kind internetsüchtig wird und täglich wirklich von morgens bis abends am zocken ist. Ansonsten können die Kids schon ganz gut selbst abschätzen, was gut und was gefährlich oder schlecht am Internet ist. „Baut eine Beziehung zu Euren Kindern auf und redet mit ihnen!“, sagt Joshua ernst. Das sei der beste Weg die Kinder vor den Gefahren des Internets zu schützen. Verbote und elterliche Überwachung finden alle drei Jugendlichen Blödsinn, da sie eh wissen, wie sich solche umgehen lassen. Zudem bittet Joshua die Erwachsenen eindringlich: bitte bleibt bei Facebook und lasst uns unser Snapchat!
Nudge!
Menschen zu erziehen ist keine leichte Aufgabe. Einfacher geht es mit einem Nudge (engl. für Stups oder Schubs). Diesen Begriff erfunden haben Richard Thaler und Cass Sunstein; es handelt sich dabei um eine Methode ohne Verbote oder Befehle das Verhalten von Menschen zu beeinflussen. Gerne verwendet wird dieses Verfahren im Marketing. Ein gutes Beispiel dafür ist ein aufgemalter 3D-Bremshügel in Philadelphia. Statt eine echten Bremshügel zu bauen wurde die Strasse mit einem 3D-Bremshügel bemalt, der eine optische Täuschung ist. Tatsächlich konnte dadurch der Verkehr deutlich verlangsamt werden. Eine tolle Session mit vielen spannenden Beispielen und der Erkenntnis, das ein Nudge zwar eine Beeinflussung von Menschen ist, aber durchaus sinnvoll und ethisch einwandeinfrei eingesetzt werden kann.
Dies waren natürlich nur ein kleiner Teil der angebotenen Veranstaltungen an diesem Tag. Da ich nicht an mehreren Orten zugleich sein kann, musste ich mich für die Sessions entscheiden, die mir persönlich am interessantesten erschienen. Von diesen habe ich Euch berichtet; ich hoffe, dass es Euch gefallen hat. Morgen erscheint dann der Bericht von Tag 3 der republica 2015. Ihr dürft also gespannt sein!
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