War Shakespeare nur ein Betrüger?

🕓 Lesezeit circa 4 Minuten
Anonymus (Sony Pictures)

Anonymus (Sony Pictures)

Am 10. November 2011 ist es so weit: Anonymus“ von Roland Emmerich kommt in die deutschen Kinos!

Auf der Buchmesse Frankfurt hatten ausgewählte Besucher heute die Möglichkeit den Film vorab zu sehen und danach einer sehr spannenden Diskussionsrunde zu folgen. Und Frisch-gebloggt war live dabei!

Hellmuth Karasek moderierte die unterhaltsame und absolut leidenschaftliche Diskussion mit Roland Emmerich (dem Regisseur von Anonymus), Prof. Dr. Tobias Döring (Präsident der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft), Dr. Kurt Kreiler (Autor von „Der Mann, der Shakespeare erfand“), sowie dem Shakespeare-Texte-Übersetzer Frank Günther.

Roland Emmerich (Buchmesse 2011)

Roland Emmerich (Buchmesse 2011)

 

Das Thema: war es wirklich ein Mann namens William Shakespeare, der Romeo und Julia, Hamlet, Macbeth & Co. schrieb oder steht hinter den weltberühmten Stücken etwa ein ganz anderer Mann?

Roland Emmerich gibt in seinem Kinofilm eine interessante Antwort. Nicht ein Autor namens William Shakespeare ist das außergewöhnliche Schreibtalent, sondern Edward de Vere, der Earl of Oxford.

Die Frage, ob Shakespeare tatsächlich existierte oder nicht eine andere Person in Wirklichkeit hinter den berühmten Texten steht, wird seit über hundert Jahren in wissenschaftlichen Kreisen diskutiert. Nun greift Emmerich das Thema auf und erschafft einen beeindruckenden Film, der nicht nur eine spannende Geschichte voller Intrigen, folgenreicher Liebschaften und grenzenloser Machtgier erzählt, sondern auch atemberaubende Bilder eines Englands des 16. Jahrhunderts präsentiert.

Die Story: „Anonymous“ dreht sich um Edward de Vere, den 17. Earl of Oxford (Rhys Ifans). Dieser ist der wahre Verfasser der besagten Theater-Stücke und Verse, die er aber nicht unter seinem eigenen Namen veröffentlichen will, da er um seinen guten Ruf fürchtet. Stattdessen duldet er, dass ein Bauerntölpel und Möchtegern seine Lorbeeren erntet: William Shakespeare (Rafe Spall). Dieser führt Edwards Bühnenstücke auf und genießt als angeblicher Autor den riesigen Erfolg. Weiterhin erfährt der Zuschauer, dass Edward de Vere einst der Geliebte von Königin Elizabeth I. (Vanessa Redgrave) war und mit ihr einen Sohn zeugte. Diesen möchte Edward auf den Thron verhelfen, denn die Königin ist bereits sehr alt. Doch nicht das Schwert ist seine Waffe, stattdessen setzt Edward auf die Macht der Worte.

Ein absolut sehenswerter Film, der heute auf der Buchmesse nicht nur Begeisterung, sondern auch eine leidenschaftliche Diskussion auslöste.

Hellmuth Karasek (Buchmesse Frankfurt 2011)

Hellmuth Karasek (Buchmesse Frankfurt 2011)

Während Dr. Kurt Kreiler gemeinsam mit dem großartigen Hollywood-Regisseur Roland Emmerich die These vertrat, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass es nicht ein Mann namens Shakespeare war, der die berühmten, literarischen Werke verfasste, waren sich der Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Tobias Döring und Übersetzer Frank Günther sicher, dass wesentlich mehr dafür spricht, dass Shakespeare sehr wohl existierte und er auch der Autor der besagten Stücke ist. Eine hitzige Diskussion entbrannte und interessante Argumente wurden vorgelegt.

Wenn Shakespeare tatsächlich lebte und ein berühmter Autor war – weshalb ist dann kein einziges Manuskript seiner Werke je gefunden worden? Und weshalb gibt es kaum Belege über seine Existenz? Auch die unterschiedlichen Schreibweisen seines Namens in alten Dokumenten lassen Dr. Kurt Kreiler zweifeln. Genauso wie die Vermutung, dass Shakespeare ein ungebildeter Bürger gewesen sei.

Frank Günther (Buchmesse 2011)

Frank Günther (Buchmesse 2011)

Hellmuth Karasek, Prof. Dr. Tobias Döring und Frank Günther dagegen halten es für keineswegs ungewöhnlich, dass die Schreibweise des Namens abweicht, das sei in dieser Zeit üblich gewesen; auch bei Goethe finden sich die verschiedensten Schreibweisen in zeitgenössischen Texten, die über den großen Dichter berichten. Und auch die Tatsache, dass nur eine Handvoll schriftlicher Belege überliefert sind, die beweisen sollen, dass es einen William Shakespeare gegeben hat, seien kein eindeutiges Indiz. Und auch der Behauptung, Shakespeare sei ungebildet gewesen, widersprechen Prof. Dr. Tobias Döring und Frank Günther hartnäckig: in der Grammar School in Stratford, die Shakespeare höchstwahrscheinlich besuchte, lernten die Schüler sowohl Latein, als auch Griechisch.

Karasek & Tobias Döring (Frankfurter Buchmesse 2011)

Karasek & Tobias Döring (Frankfurter Buchmesse 2011)

Ob Shakespeare nun wirklich der Autor der unter seinem Namen veröffentlichten und aufgeführten Werke ist – oder ob es doch der Earl of Oxford war, der all die Zeilen und Verse verfasste, bleibt wohl auch in Zukunft ungeklärt.

Emmerichs Film „Anonymus“ ist eine unterhaltsame und spannende Verfilmung der Oxford-Theorie, die in Edward de Vere, dem Earl of Oxford, den wahren Shakespeare sieht. Meine Empfehlung: unbedingt ansehen, es lohnt sich!

P.S. Dir hat dieser Artikel gefallen? Dann teile ihn bitte!

Katharina Kokoska

Bloggerin von Frisch-gebloggt.de // iNerd // Bloggerin, Texterin, Web Consultant und Internet-Poweruser // Bücherwurm und leidenschaftliche Hobbyfotografin // Nach-Gran-Canaria-Ausgewanderte

6 Antworten

  1. Michael Drebs sagt:

    Danke für den aktuellen Bericht der Buchmesse Frankfurt. Was die offizielle Homepage der Messe nicht schafft, aktuell von ihr zu berichten, leistet mal wieder ein Blog. Ein guter dazu. Scheut er sich doch nicht, die waghalsige These Emmerichs aufzugreifen, es hätte Shakespeare nicht gegeben.
    Und ganz so abwegig ist die Frage und die Behandlung in einem Film nicht. Wenn von einem Jesus von Nazareth keine Originalhandschriften vorliegen, weil sein Wirken auf der Welt schon 2000 Jahre zurückliegt, so verwundert es allemal, von S. nur ein Testament mit der Verfügung über ein gebrauchtes Bett vorliegen zu haben. Also sicher ein Film, der nicht nur sehenswert, sondern auch zu weiteren Spekulationen Anlass geben wird.

  2. Nora sagt:

    Ich freu darauf den Film zu sehen – für waghalsige Theorien bin ich sowieso immer zu haben und dann noch ein so eine um Shakespeare. Danke für den tollen Artikel!

  3. Katharina sagt:

    Liebe Blog-Leser,

    heute erreichte mich eine E-Mail von Bastian Conrad, Professor für Klinische Neurophysiologie, sowie Autor und Herausgeber verschiedener Fachbücher. Er vertritt die Auffassung, dass es nur einen einzig möglichen Lösungsvorschlag zu der Shakespearefrage gibt: Christopher Marlowe.

    Laut der so genannten Marlowe-Theorie ist der angebliche Tod des zeitgenössischen Dichtergenies Christopher Marlowe im Jahr 1593 der entscheidende Hinweis. Vieles spricht anscheinend dafür, dass Christopher Marlowe mit dem Dichter und Werkeverfasser William Shakespeare identisch gewesen ist; Marlowes Tod also nur vorgetäuscht wurde und er unter dem Namen Shakespeare weiterlebte und schrieb. Das würde insoweit Sinn machen, da Marlowe wegen (literarischer) Beteiligung an aufrührerischen Plakaten (sog. Dutch Libels) und wegen Verbreitung und Besitz atheistischer und häretischer Schriften denunziert wurde und somit in akuter Lebensgefahr schwebte.

    Falls Ihr mehr über diese spannende Theorie wissen möchtet, empfehle ich Euch das Buch von Herrn Conrad:

    Christopher Marlowe – Der wahre Shakespeare
    2011Buch &Media, München GmbH
    ISBN 978-3-86520-374-8

    Und ich lade Herrn Conrad herzlich dazu ein, auch hier im Blog in Form eines Kommentars persönlich Stellung zu nehmen. Für frischen Wind, neue Denkweisen, unterschiedliche Meinungen und konstruktive Diskussionen ist Frisch-gebloggt.de immer offen! Vielen Dank für den Denkanstoß in Richtung Christopher Marlowe!

  4. bastian conrad sagt:

    Spannender Krimi aus dem richtigen Leben

    Habe ein Jahrzehnt über das bizarre Spektakel der Jahrhunderte langen Urheberschaftsdebatte gegrübelt und bin mir mit Roland Emmerich darin einig, dass wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts an einem Punkt angelangt sind, an dem wir das Dogma, dass “Shakspere“ mit “Shakespeare“ identisch war, aufgeben müssen. Aber leider nicht zugunsten des Earl of Oxford, sondern zugunsten des zu Shakespeare exakt altersgleichen Dichtergenies und Superstars des Londoner Theaters Christopher Marlowe. Das tarnende Pseudonym Shakespeare wurde für ihn auserkoren, weil zur richtigen Zeit ein William Shakspere aus Stratford in London zur Stelle war, der sich bereit erklärte, sich mit seinem „maskierenden“ Namen als Rettung für den lebensbedrohten, denunzierten Marlowe honorieren zu lassen. Marlowes tragische Auflage von Seiten der Krone für eine Lebensrettung war, seine Identität und seinen Namen dauerhaft aufzugeben.Dies wurde durch eine fingierte Todesvortäuschung (Mai 1593) erreicht.Kaum zu glauben aber wahr.
    Die Summe aller Fakten , erst in diesen Jahren vollständig online für jedermann zugänglich, wird sich von sog.Experten auf längere Sicht nicht mehr unterdrücken lassen. Der Paradigmenwechsel wird früher oder später kommen. Es ist nicht vorstellbar, dass eine kommende junge Generation die Summe aus den schier unglaublichen negativen Evidenzen kontra Shakespeare und zugleich den mächtigen positiven Evidenzen pro Marlowe ignorieren wird… .
    Die lebensrettende Idee, einen vom Tod bedrohten Dichter Marlowe unter dem Namen einer realen Person Shakspere weiterleben zu lassen, ist so fantastisch, dass sie eigentlich nur dem Gehirn eines Genies wie Shakespeare alias Marlowe entspringen konnte. Shakespeare hat seine Todesvortäuschung und Irreführung mittels falscher Leiche und Namen in einer Szene in “Maß für Maß“ („death is a great disguiser“) eindrucksvoll festgehalten. Sein einfache Erklärung lautete, dass einen dies nicht in Staunen versetzen müsse, alle Schwierigkeiten seien im Grunde leicht zu verstehen, wenn man sie nur kennte….:
    “Looke, th‘ vnfolding Starre calles vp the Shepheard;
    put not your selfe into amazement, how these things should be;
    all difficulties are but easie when they are knowne.”

  1. 19. Oktober 2011

    […] Filme, stellte sich zum Gespräch. Roland Emmerich kam auf die Bühne stellte seinen neuen Kinofilm Anonymus vor. Und die Flying Sparks Überflieger präsentierten ihr Transmedia Manifest, das sowohl von der […]

  2. 9. November 2011

    […] in dem Pre-Screening. Auch sie hat ihre Gedanken dazu veröffentlicht. Ihr könnt sie hier frisch gebloggt nachlesen. Weitere Beiträge mit ähnlichen Inhalten:Lost PlaceDie Umbrella Corporation sucht […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert