Unfassbar: Den Bloggern von netzpolitik.org wird Landesverrat vorgeworfen

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Markus Beckedahl und Andre Meister

sebaso / Flickr

Kaum zu glauben, aber wahr: Der Generalbundesanwalt Harald Range ermittelt gegen die Blogger Markus Beckedahl und Andre Meister von Netzpolitik.org wegen Landesverrats.

„Es ist seltsam, dass der Staat gegen einen ermittelt, weil man sich für Grundrechte einsetzt“
– Markus  Beckedahl

Die Geheimdienste ärgern sich natürlich schon lange, dass geheime oder vertrauliche Dokumente an Medien gelangen und auch veröffentlicht werden. Doch dass nun gegen Blogger bzw. Journalisten in einer solchen Weise vorgegangen wird, ruft nicht nur in Deutschland jede Menge Empörung hervor. Den beiden Journalisten von Netzpolitik.org wird derzeit tatsächlich vorgeworfen, Staatsgeheimnisse veröffentlicht und somit Landesverrat begangen zu haben. Wer Landesverrat begeht, dem droht übrigens eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. In schwereren Fällen sogar fünf Jahre bis lebenslänglich.

Es geht um die beiden Artikel „Geheimer Geldregen: Verfassungsschutz arbeitet an Massendatenauswertung von Internetinhalten“ und „Geheime Referatsgruppe: Wir enthüllen die neue Verfassungsschutz-Einheit zum Ausbau der Internet-Überwachung“, die Netzpolitik.org Anfang des Jahres publizierte. Diese werden nun von einem Gutachter geprüft, der die Frage beantworten soll, ob die beiden Artikeln wirklich Staatsgeheimnisse enthalten. Danach entscheidet der Generalbundesanwalt, ob er Anklage erhebt.

„Wir haben jetzt den Verdacht, dass sie durch solche Strafanzeigen scharf schießen gegen diejenigen, die dazu beitragen, diesen größten Überwachungsskandal in der Geschichte der Menschheit mit aufdecken zu wollen.“
– Markus Beckedahl

Landesverrat?

sebaso / Flickr

Leider sind Journalisten in Deutschland vor einer solchen Anklage nicht geschützt. Landesverrat ist strafbar nach § 94 des Strafgesetzbuchs und Journalisten sind dabei nicht ausgenommen. In den USA beispielsweise können Journalisten zwar für die Veröffentlichung geheimer Dokumente angeklagt werden, aber nicht wegen Landesverrats.

Es ist das erste Mal seit über dreißig Jahren, dass in Deutschland wieder wegen Landesverrat ermittelt wird. Viele erinnern sich an die Spiegel-Affaire von 1962, als Redakteure und Verleger wegen Landesverrats angeklagt wurden. Auslöser des ganzen war der Spiegel-Artikel „Bedingt abwehrbereit“, der die strategische Politik von Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) kritisierte. In dem Artikel wurde aus geheimen Nato-Papieren zitiert, die belegten, dass die noch junge Bundeswehr für einen Atomkrieg in Mitteleuropa nicht gerüstet war. Die Folge: Die Polizei stürmte die Redaktion, Redakteure und Verleger Rudolf Augstein wurden verhaftet. Letzten Endes wurden zwar alle Anklagepunkte gegen das Magazin fallen gelassen und Franz Josef Strauß musste im Verlauf der Affäre sogar zurücktreten, doch „Spiegel“-Verleger Augstein saß zwischenzeitlich mehr als drei Monate in Haft. Die „Spiegel-Affäre“ gilt bis heute als Beispiel für die Stärkung der Pressefreiheit. Um so erstaunlicher, dass sich die Geschichte zu wiederholen scheint.

Es ist wirklich skandalös: Statt den Geheimdiensten auf die Finger schauen, schüchtern Staatsanwälte Journalisten ein und klagen sie wegen Landesverrats an. Und Konsequenzen für die USA und ihren Geheimdienst NSA, die sogar unsere Bundeskanzlerin abgehört haben, gibt es keine? Und welche Konsequenzen hat es, dass der BND den USA jahrelang geholfen hat, deutsche Politiker und Unternehmen auszuspähen? Wem darf oder muss man Landesverrat vorwerfen? Den Bloggern Markus Beckedahl und Andre Meister sicherlich nicht!

Sehenswert: Der Kommentar von Georg Restle, WDR, zum Vorwurf des Landesverrats

 

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Katharina Kokoska

Bloggerin von Frisch-gebloggt.de // iNerd // Bloggerin, Texterin, Web Consultant und Internet-Poweruser // Bücherwurm und leidenschaftliche Hobbyfotografin // Nach-Gran-Canaria-Ausgewanderte

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