„Kostenloser“ Workshop mit Nebenwirkungen: Eine Warnung aus Erfahrung

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Ich nehme immer wieder gern an kostenlosen Online-Workshops teil. Viele dieser Veranstaltungen sind wirklich wertvoll, professionell gestaltet und liefern echten Input.
Als Unternehmerin, ITlerin und Online-Marketing-Expertin bin ich ständig auf der Suche nach neuen Impulsen und nicht selten habe ich dabei kostenfreie Webinare entdeckt, die mir wirklich toll waren und mir neue Erkenntnisse und Inspiration geschenkt haben.

In den meisten Fällen fühlte ich mich in solchen Workshops gut aufgehoben. Kein Druck, kein Hintertür-Verkauf, sondern eine lehrreiche Veranstaltung und ein faires Angebot am Ende. Und wer Interesse hatte, konnte dann am Ende ein Coaching buchen, ein Buch kaufen, ein bestimmtes Tool erwerben oder ähnliches – oder eben auch nicht. Doch zuletzt habe ich eine ganz andere Erfahrung gemacht. Und ich möchte darüber schreiben, weil ich hoffe, dass ich dadurch manche Menschen vor einem Fehler bewahren kann.

Zwischen Input und Einfluss: Wenn Workshops zur Manipulation werden

Alles begann mit einer Anmeldung über eine schick gestaltete Landingpage. Professionelles Design, klare Texte, das übliche: „Kostenlose Veranstaltung“, „limitierte Plätze“, „nur für ernsthafte Unternehmerinnen“. Ich hatte nichts erwartet, außer ein bisschen Input. Ich war offen und fühlte mich durch die Werbung angesprochen. Ich fand es spannend, dachte, dass ich etwas für mich mitnehmen könnte. So wie man in der Stadt an einem schicken Werbeaufsteller vorbeigeht, der einen mit einem charmanten „Komm rein, es lohnt sich!“ begrüßt und man sich entscheidet, mal in den Laden hineinzuschnuppern. Natürlich wusste ich, dass am Ende ein Angebot steht und etwas verkauft werden soll. Es war nicht der erste kostenlose Workshop, an dem ich teilnahm. Aber nur, weil am Ende ein Angebot steht, hieß das ja nicht, dass die Veranstaltung keinen Mehrwert für mich haben würde. So dachte ich, denn das entsprach meiner Erfahrung. Gerade im Bereich Mutterschaft und Geburt habe ich schon so tolle Gratis-Online-Events besucht, die sehr wertvoll waren und bei denen ich nie das Gefühl hatte, dass ich genötigt werde, am Ende etwas zu kaufen oder zu buchen.

Die Online-Veranstaltung von der ich Dir nun erzählen will und die über mehrere Tage ging, war wirklich gut gemacht und die Person, die sie leitete, war charismatisch, klug und witzig. Es ging um Mindset, wie man sein Business skalieren kann und was es bedeutet als Frau ein Business zu gründen bzw. zu führen. Die Inhalte klangen gut, aber wurden immer wieder durch emotionale Übungen unterbrochen. Jeden Tag gab es mindestens eine Visualisierung. Die Teilnehmerinnen wurde gebeten, die Augen zu schließen, in sich hineinzuhören, der Stimme des Coach zu folgen. Wir wurden gebeten, dem Coach zu vertrauen und sich darauf einzulassen. Und das tat ich. Anfangs fühlte sich das sanft und wertschätzend an, fast wie eine kleine mentale Auszeit. Ich dachte mir nichts dabei, vertraute. Ich fand es sogar angenehm und hatte das Gefühl, manche Dinge klarer zu sehen.

Doch mit jeder dieser Übungen wurden bestimmte Bilder wiederholt: Freiheit, Erfolg, Stärke. Gleichzeitig wurde subtil Druck aufgebaut. Man solle „all-in“ gehen, wer nicht springt, wer zögert, hat es nicht verstanden und wird nicht erfolgreich sein. Wer jetzt nicht spüre, dass er Teil dieses Teams sein will, sei umsonst dabei gewesen. Damals kam mir das nicht seltsam vor, obwohl ich im Nachhinein denke, dass alle meine Alarmglocken bei diesen Sätzen hätten anspringen müssen und ich die Veranstaltung hätte sofort verlassen sollen. Erst später dämmerte es mir: diese Veranstaltung inklusive der kleinen, scheinbar harmlosen Fantasiereisen waren kein Wellness für die Seele und kein wertvoller Business-Input, sie waren Teil eines Systems, das mich emotional binden sollte.

Wie ich erst später verstand, was da wirklich lief

NLP ist kein Fremdwort für mich. Das steht für „Neuro-Linguistisches Programmieren“, eine Sammlung von Kommunikationstechniken, die helfen sollen, Gedankenmuster zu erkennen und gezielt zu verändern. Ursprünglich gedacht für Therapie, Coaching oder persönliche Weiterentwicklung. Ich habe mich nie tiefgehend damit beschäftigt, aber ich wusste immer: Es kann ein spannendes Werkzeug sein – wenn es fair eingesetzt wird! Doch im Nachhinein wurde mir klar: in diesem Workshop wurde es nicht genutzt, um den Teilnehmenden zu helfen, klarer zu denken. Es wurde genutzt, um uns weich zu machen. Emotional zu binden. Und uns in einen Zustand zu bringen, in dem ein teures Angebot plötzlich ganz logisch erschien.

Es wurde als Instrument zur gezielten Beeinflussung genutzt. Nicht auf die laute, offensichtliche Tour, sondern subtil, eingebettet in emotionale Geschichten, Fantasiereisen und „Mindset-Impulse“. Der ganze Workshop sollte mich in einen emotionalen Zustand bringen, in dem es leichter ist, „Ja“ zu sagen, zu einem Angebot, das ich vorher nie in Betracht gezogen hätte.

Und genau das ist der Punkt, an dem für mich die Grenze überschritten wurde.

Das Verkaufsgespräch am Ende

Am letzten Tag kam das Telefonat, das man kostenlos vereinbaren konnte, um persönlich mit jemanden aus dem Team zu sprechen. Darin ging es nicht um Austausch, das war kein ehrliches Kennenlernen, sondern ein durchstrukturierter High-Ticket-Sales-Call. Und da wurde nicht gesagt: „Wir bieten ein Coaching an, das kannst Du buchen, wenn Du möchtest, es wird Dich weiterbringen.“. Sondern: „Hast Du nicht gesagt, Du gehst „all-in“? Warum buchst Du dann nicht? Meinst Du es nicht ernst?“. Und ich bin ehrlich mit Euch: ich hätte dieses Gespräch nie führen sollen! Ich hätte das Gespräch viel schneller beenden sollen! Ich hätte nicht so viel über mich erzählen sollen!

Aber ich bin stolz, dass ich mich nicht habe noch mehr unter Druck setzen lassen. Ich habe mich nicht einwickeln lassen. Ich habe nichts gebucht (und wurde dann zuletzt auch sehr schnell und unfreundlich verabschiedet). Und doch saß ich am Ende des Gesprächs mit einem flauen Gefühl im Bauch da. Und ich habe einige Tage danach darüber nachgedacht bis ich verstanden habe, was wirklich passiert ist. Plötzlich saß ich da und es fiel mir wie Schuppen von den Augen. „Scheiße, waren die gut!“, entfuhr es mir. Und ich fühlte mich erst einmal schlecht, dass ich das nicht früher erkannt, nicht früher die Veranstaltung verlassen hatte. Und auch Scham war dabei, dass sie mich so lange an der Angel hatten. Trotz allem: der Verkaufsabschluss fand nicht statt, ich habe rechtzeitig die Reißleine gerissen. Und darauf bin ich stolz!

„Warum sagst Du nicht, wie der Workshop hieß?“

Weil es letztendlich keine Rolle spielt und ich keine Lust auf eine Online-Schlammschlacht habe. Und weil es mit Sicherheit einige schwarze Schafe da draußen gibt, die für High-Ticket-Sales „über Leichen gehen“. Ich möchte Dich für das Thema sensibilisieren, Dir zeigen, dass es nicht so leicht ist, sich einer solchen Masche zu entziehen, selbst mit so vielen Jahren Marketing-Erfahrung, wie ich es habe. Seid bitte vorsichtig, wenn Ihr an einem kostenlosen Event teilnehmt. Ich werde in Zukunft definitiv skeptischer sein und auch keine Art Fantasiereise mehr mit einer fremden Person machen.

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Katharina Kokoska

Bloggerin von Frisch-gebloggt.de // iNerd // Bloggerin, Texterin, Web Consultant und Internet-Poweruser // Bücherwurm und leidenschaftliche Hobbyfotografin // Nach-Gran-Canaria-Ausgewanderte

2 Antworten

  1. Vielen Dank für Deinen Beitrag, der mehr Bewusstsein für diese Problematik schafft!

    Leider begegnet man solchen manipulativen, kostenlosen Workshops immer häufiger. Es ist wirklich erschreckend, wie gezielt hier mit den Hoffnungen und Unsicherheiten der Menschen gespielt wird. Es braucht dringend mehr Aufklärung und einen offenen Austausch darüber. Danke, dass Du Deine Erfahrungen teilst!

    In meiner Coaching-Arbeit habe ich einen Menschen begleitet, der aufgrund solcher Machenschaften mit einem tiefen Gefühl der Verunsicherung und dem Eindruck, nicht gut genug zu sein, zu mir kam. Es braucht viel Empathie und behutsame Begleitung, um diese Verletzungen aufzuarbeiten. Zu sehen, wie aus anfänglichem Misstrauen wieder Selbstvertrauen wächst, ist für mich jedoch auch eine der schönsten Seiten meiner Arbeit.

    • Katharina sagt:

      Hallo Marion! Tatsächlich ist es mir nicht leichtgefallen diesen Beitrag zu schreiben. Aber wie Du in Deinem Kommentar selbst schreibst: das Thema ist wichtig, braucht mehr Aufklärung und einen offenen Austausch. Und dazu trägst auch Du mit diesem Kommentar bei. 🙏 DANKE!

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